- monthly subscription or
- one time payment
- cancelable any time
"Tell the chef, the beer is on me."
“ Um es klar zu sagen: Für mich beruht die Macht des Westens auf Raub, Diebstahl, Mord und Totschlag an und gegenüber dem Rest der Welt. Nur weil er so viel zusammenraubt, kann sich der Westen im Inneren eine gewisse Liberalität leisten sowie das, was er Demokratie und Menschenrechte nennt. Er lässt jeden – zum Beispiel auch den Hartz IV-Empfänger – wenigstens ein wenig an dem zusammengeraubten Reichtum partizipieren. Deshalb hält nicht nur der Hartz IV-Empfänger nicht nur still, er ist auch so etwas wie ein Komplize. Das vorrangige Ziel der Aussen- bzw. Machtpolitik des Westens ist die Perpetuierung dieses Raub- und Totschlag-Regimes. Die Demokratie- und Menschenrechtsrhetorik dient ihm dabei als Hebel. Wenn es seinem Vorteil dient, dann hat der Westen auch keine Skrupel, sich völkischer Banden und sonstiger Mordbrennern zu bedienen. Die westliche Propaganda hat dann die vornehmliche Aufgabe, diese Tatsachen zu leugnen. Das haben wir gerade in beispielhafter Weise einmal mehr in der Ukraine gesehen.— Christian Y. Schmidt // oAnth: https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Y._Schmidt
”
Das Bundesverfassungsgericht hat am 06.12.2013 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Mitgliederentscheid der SPD über den Koalitionsvertrag abgelehnt (Az.: 2 BvQ 55/13). Die lesenswerte Entscheidung beleuchtet zunächst die Rolle der Parteien im Verfassungsgefüge und stellt klar, dass die Parteien nicht Teil des Staates sind und keine öffentliche Gewalt ausüben. Das ist formal betrachtet wenig überraschend, wobei man über letzteres sicherlich diskutieren kann, denn die politische Wirklichkeit bedingt, dass von Parteien (mittlerweile) mehr Macht ausgeht, als von den im Grundgesetz genannten Verfassungsorganen. Das ist freilich keine Besonderheit des SPD-Mitgliedeentscheids, der sofern man Partei- und Fraktionsdisziplin im aktuell üblichen Umfang für legitim hält, sicherlich nicht bedenklicher ist als das, was man bisher beobachten konnte.
Die Haltung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich im Grunde äußerst knapp zusammenfassen. Die Vorgaben der Art. 21 und 38 GG sind nicht verletzt, denn der Mitgliederentscheid hindert die Abgeordneten nicht daran, anschließend frei und im Zweifel abweichend abzustimmen. Der SPD-Mitgliederentscheid begründet auch keine Verpflichtungen der Abgeordneten die über die bekannte Fraktionsdisziplin hinausgeht. Außerdem sind die Fälle von Fraktionsdisziplin und – wie hier – Parteidisziplin nicht von jedermann mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Rechtlich interessanter wäre es da schon, wenn es zu einem Antrag eines betroffenen Abgeordneten käme.
Vielleicht ist der Mitgliederentscheid der SPD nicht der richtige Aufhänger, aber darüber, wie frei der Abgeordnete tatsächlich noch ist, sollte grundsätzlich diskutiert werden.
Denn unser Grundgesetz propagiert das freies Mandat, was die politische Wirklichkeit aber kaum widerspiegelt. Denn die Freiheit einer eigenständigen Entscheidung nehmen sich Abgeordnete, die sich der Partei verpflichtet fühlen und von Fraktionsvorsitzenden bedrängt werden, nicht sehr häufig. Ob das eine originär verfassungsrechtliche Diskussion ist, weiß ich nicht. Aber es geht letztlich um die politische Kultur und die Ausgestaltung unserer demokratischen Mechanismen. Die Parteien sind mittlerweile äußerst dominant und nehmen eine Rolle ein, die ihnen im Verhältnis zu den im Grundgesetz genannten Verfassungsorganen (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung) möglicherweise nicht zusteht. Dass das BVerfG an dieser Stelle eher zurückhaltend agiert, ist weder neu noch überraschend. Denn jede andere Entscheidung würde die über Jahrzehnte hinweg praktizierte politische Praxis in Frage stellen. Und das BVerfG war bislang stets staatstragend und hat noch nie grundlegend politische Mechanismen in Zweifel gezogen. Das bedeutet aber nicht, dass man das nicht auch anders sehen kann oder zumindest eine rechtspolitische Diskussion über die Rolle der Parteien im politischen Prozess bzw. im Gesamtgefüge der Verfassung führen kann und sollte.
Verschiedene Medien, SPD-Anhänger sowieso, und auch Anwaltskollegen empören sich gerade darüber, dass eine Journalistin namens Marietta Slomka ihre Arbeit macht. Was war geschehen? Slomka hatte sich im Heute-Journal erdreistet, den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel danach zu fragen, ob die Einholung der Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag nicht vielleicht verfassungsrechtlich bedenklich sei. Hintergrund der Frage sind Aussagen des renommierten Verfassungsrechtlers Christoph Degenhardt, der diese Mitgliederbefragung als verfassungsrechtlich nicht legitim bezeichnet hatte. In dieser Situation erwarte ich von einer guten Journalistin geradezu, dass sie diesen Punkt aufgreift und danach fragt.
Und ja, wir sollten darüber diskutieren, ob die Stellung der Parteien im politischen Gesamtgefüge nicht mittlerweile viel zu stark ist und ob nicht alle Formen von striktem Fraktions- oder Parteienzwang mit Art. 38 des Grundgesetzes kollidieren und Ausdruck einer verfassungfernen Grundhaltung der Parteien und ihrer Entscheidungsträger sind. Das lässt sich nicht dadurch kontern, dass die Parteien im Grundgesetz ebenfalls erwähnt sind (Art. 21 GG) und ihre innere Ordnung danach demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Denn es geht vorliegend – zumindest juristisch – nicht um die innere Ordnung der SPD, sondern um eine Regierungsbildung.
Der Umstand, dass Gabriel bereits zu Beginn des Interviews auf Krawall gebürstet war und dann aus der Rolle fällt, machte das Interview im Verlauf etwas unangenehm. Gerade auch deshalb, weil Marietta Slomka in dieser Situation standhaft geblieben ist, kann ich Maximilian Steinbeis nur zustimmen. Das war großer Journalismus.
Die Geschichte der Menschheit ist geprägt von Gewaltherrschaft und autoritären Staats- und Gesellschaftsformen. Diese Geschichte hat uns gelehrt, dass die unkontrollierte Ausübung von Macht stets zu Missbrauch und zur Unterdrückung von weiten Teilen einer jeden Gesellschaft führt. Das Gegenmodell von der Herrschaft des Volkes (Demokratie) hat sich erst in der jüngeren Geschichte nachhaltig durchgesetzt, aber wie wir wissen, noch längst nicht überall.
Grundbedingung eines demokratischen Rechtsstaats ist es, staatliche Macht einer strikten Kontrolle zu unterziehen. Das gesamte staatliche Handeln ist an die Verfassung und die einfachen Gesetze gebunden. Ein solcher Staat ist geprägt von einer Herrschaft des Rechts und steht damit im Gegensatz zu Willkür- und Polizeistaaten. Dieses Rechtsstaatsprinzip, das im Grundgesetz in Art. 20 Abs. 3 verankert ist, geht Hand in Hand mit dem Demokratieprinzip, das in Deutschland durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG gewährleistet wird.
Das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats lässt sich also dahingehend zusammenfassen, dass die staatliche Macht einer strikten Kontrolle unterliegt. Diese Kontrolle wird durch unabhängige Gerichte gewährleistet sowie durch ein vom Volk gewähltes Parlament.
Das Rechtsstaatsprinzip müsste im Grunde uneingeschränkt auch für Geheimdienste gelten, faktisch tut es das aber nicht. Der gerichtliche Rechtsschutz ist in diesem Bereich deutlich eingeschränkt. Eine parlamentarische Kontrolle existiert nur in der Theorie. Faktisch ist sie so ausgestaltet, dass sie beliebig und vor allen Dingen sanktionslos umgangen werden kann. Und das ist auch politisch gewollt. Selbst dann, wenn beispielsweise der BND in kriminelle Machenschaften verwickelt ist, hat dies für die Behörde keinerlei Konsequenzen, wie der Fall “Bodenkamp” belegt. Die Bundesregierung unterstützt solche Machenschaften vielmehr durch gezielte Verschleierungstaktik. Geheimdienste können also in einem rechtsstaatlichen Vakuum agieren und die Politik lässt sie gewähren.
Die unkontrollierte Ausübung von Macht erfasst in demokratischen Gesellschaften also nicht mehr den gesamten Staat, sondern sie hat sich eine Nische gesucht, nämlich die der Geheimdienste. Dort wird in dem Wissen, dass die gerichtliche Kontrolle unzureichend ist und die parlamentarische Kontrolle nur eine Placebo-Funktion erfüllt, weiterhin ungeniert Recht gebrochen und das Rechtsstaatsprinzip mit Füßen getreten. Vermutlich glauben einige der Akteuere dieses Systems sogar, damit einer legitimen, höheren Staatsräson zu folgen. In den USA und Großbritannien sind die Auswüchse ganz augenscheinlich noch schlimmer, weil die besagte Kontrolle dort schon formal kaum vorgesehen ist.
Was wir in den letzten zehn Jahren beobachten können, ist eine ungehemmte Ausweitung der Überwachungstätigkeit der Dienste. Die ständig zunehmenden technischen Möglichkeiten gehen in vielen Staaten mit einer personellen Aufrüstung einher. Der demokratische Fremdkörper Geheimdienste könnte sich deshalb als Krebsgeschwür entpuppen, das den Gesamtorganismus Demokratie erfasst. Es geht hier nicht mehr um ein einzelnes Grundrecht – weshalb viele aktuelle Diskussionen zu kurz greifen – sondern um unsere Demokratie im Ganzen.
Wenn die Tatsache, dass Geheimdienste unsere Demokratie gefährden, nicht zügig in das öffentliche Bewusstsein vordringt, dann wird es der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat nicht nur, aber auch, hierzulande in Zukunft nicht leicht haben, sich zu behaupten. Dass konservative Politiker in Deutschland beispielsweise die Internetüberwachung noch ausweiten wollen, kann man aktuell bei Heise nachlesen.
Wir dürfen diese unkontrollierte Ausübung von Macht nicht zulassen und deshalb den Staat im Staate mit dem Namen Geheimdienst in der bisherigen Form nicht gewähren lassen. Eine demokratische Gesellschaft muss dem System Geheimdienst den Kampf ansagen.
Wer thematisch verwandte Texte von mir lesen will, dem sei nochmals “Von der Hinterlist einer lichtscheuen Politik” und “Geheimdienste und Bürgerrechte” empfohlen.
Michael Seemann – aka mspro – ist seit Jahren einer der Protagonisten der Post-Privacy-Debatte. Seine nicht ganz neuen Thesen durfte er aktuell im Lichte der NSA-Affäre für ZEIT-Online wieder einmal aufwärmen. Warum die Verfechter einer Post-Privacy-Gesellschaft zwar in Teilen eine zutreffende Zustandsbeschreibung liefern, aber im Ergebnis zu falschen und gefährlichen Schlussfolgerung gelangen, habe ich vor zweieinhalb Jahren bereits einmal ausführlich erläutert. Der Titel meines damaligen Beitrags lautete “Von der informationellen Selbstbestimmung zur informationellen Fremdbestimmung”. An den Argumenten hat sich auch durch die NSA-Affäre nichts verändert, ganz im Gegenteil.
Man kann die Zustandsbeschreibung Seemanns teilen, wonach Privatheit oder informationelle Selbstbestimmung für viele Menschen keinen Wert mehr darstellt und ihnen auch nicht klar ist, warum dieser Grundwert, der durch ein Grundrecht geschützt ist, in der modernen Gesellschaft überhaupt noch von Relevanz sein sollte. Die NSA-Affäre bewegt die Menschen deshalb nicht, weil die Rechtsverletzung die dort stattfindet, den meisten Menschen zu abstrakt ist und viele auch meinen, sie seien davon nicht betroffen. Das Manko besteht also darin, dass es der Netzgemeinde und den Bürgerrechtlern bisher nicht gelungen ist, die Rechtsverletzungen durch Geheimdienste zu illustrieren, sie ausreichend zu veranschaulichen.
Wer wie Seemann das Ende des Privatsphärenbegriffs postuliert, um dann im selben Atemzug zu erklären, dass die NSA die Demokratie bedroht, eröffnet damit nur ein neues Paradoxon und gibt zu erkennen, dass sein Denken von einem tiefen Unverständnis des Wesens der Freiheitsrechte geprägt ist. Würde etwa jemand ernsthaft behaupten wollen, die Versammlungsfreiheit sei am Ende, nur weil sich die Gesellschaft gerade in einer Phase befindet, in der immer weniger Menschen bereit sind, für ihre Überzeugung auf die Straße zu gehen? Wohl kaum. Ebensowenig wird man das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung für beendet erklären, nur weil viele Menschen sich daran gewöhnt haben, ihre Daten bereitwillig preiszugeben.
Es gilt zu erkennen, dass das was Seemann als Privatsphäre oder Privacy betrachtet, nur einen Baustein im Gesamtkonzept der Freiheitsrechte darstellt. Allen Freiheitsgrundrechten gemeinsam ist der Ansatz, dass man als Bürger das Recht hat, vom Staat möglichst in Ruhe gelassen zu werden. Wenn dieses Recht am Ende ist, dann gibt es gar keine Handhabe mehr gegen Überwachung. Wer Privatheit für erledigt erklärt, der erklärt damit das Konzept der Freiheitsrechte insgesamt für gescheitert.
Das Gegenteil von Privacy ist die Transparenz aller Daten. Transparenz bedeutet Kontrolle. Aus diesem Grunde muss der freiheitlich-demokratische Staat, der vom Spannungsverhältnis Staat-Bürger geprägt ist, dafür sorgen, dass die öffentliche Gewalt transparent agiert und maximal kontrolliert wird, während dem Bürger die größtmögliche Intransparenz zuzubilligen ist. Wer das Ende der Privatheit propagiert, ermöglicht damit den gläsernen und transparenten Bürger. Diese Forderung steht deshalb in der Tradition der Unfreiheit. Die Vorstellung von einer Gesellschaft, die keine Privatssphäre mehr kennt, atmet den Geist des Totalitarismus.
John F. Nebel hat in einer lesenswerten Replik auf die Thesen Michael Seemanns darauf hingewiesen, dass das Postulat vom Ende der Privatheit nichts an den Machtverhältnissen ändert. Die Mächtigen werden nach dem Ende der Privatheit nicht nur weiter überwachen, sondern sie werden dies sogar noch unbeschwerter und exzessiver tun können. Denn das Abwehrrecht des Bürgers, das wir in Deutschland als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kennen, gibt es als Korrektiv dann ja nicht mehr. Der These, wonach der Begriff der Privatsphäre nicht mehr als Argument gegen Überwachung taugt, ist daher vehement zu widersprechen. Das Recht auf Privatsphäre ist vielmehr das Einzige, was wirklich als Argument gegen staatliche Überwachung taugt. Das Bundesverfassungsgericht hat die informationelle Selbstbestimmung aus gutem Grund auch aus der Menschenwürde hergeleitet. Jeder Mensch muss nämlich das Recht haben, sich als Individiuum in Freiheit selbst zu verwirklichen und er muss sich keiner Behandlung aussetzen, die ihn zum bloßen Objekt von Machtinteressen degradiert. Und genau darum geht es sowohl in der Überwachungs- als auch in der Privacy-Debatte. Wir müssen die Bedeutung von Privatheit besser und vor allen Dingen anschaulicher erklären. Es gibt keine anderen geeigneten “Narrative” und auch Michael Seemann erklärt nicht, wie er die Debatte anders führen will. Es wäre für Seemann jetzt endlich an der Zeit gewesen, einen konstruktiven Ausweg aus der “Privatsphären-Falle” aufzuzeigen. Aber einen solchen Vorschlag bleibt er einmal mehr schuldig.
Die Diskussion um Stuttgart21 ist deutlich abgeflaut. Aber mit den fragwürdigen Methoden, derer sich Polizei und Staatsanwaltschaft mit teilweiser Billigung der Gerichte bedient haben, gilt es sich weiterhin auseinandersetzen.
Ein gutes Beispiel liefert der Fall des pensionierten Vorsitzenden Richters am Landgericht Dieter Reicherter. Er wurde zum Gegner von Stuttgart21, nachdem er mehr oder minder zufällig miterlebt hat, mit welcher Brutalität die Polizei im Stuttgarter Schlosspark gegen friedliche Demonstranten vorgegangen ist.
Das Wort eines ehemaligen Vorsitzenden Richters hat in einem Staat, der sich als Rechtsstaat begreift und es meistens auch noch ist, manchmal etwas mehr Gewicht als das eines x-beliebigen Demonstranten. Was natürlich diejenigen, die Polizeigewalt bestreiten oder relativieren wollen, als Gefahr empfinden müssen.
Am 27.06.2012 durchsuchte die Polizei das Haus von Dieter Reicherter, der sich gerade in London aufhielt und beschlagnahmte einen Computer und ein Notebook. Ohne richterliche Anordnung – wie Reicherter sagt – wurde eine umfassende Auswertung seiner Rechner durchgeführt. Reichterter schildert dies in einem Brief an verschiedene Beteiligte, deren E-Mails mitbeschlagnahmt und ausgewertet wurden. Darunter ist auch der E-Mail-Verkehr mit einem Journalisten der taz. Brisant daran ist u.a., dass die Rechner Reicherters nach dem Auswertungsbericht auch ganz gezielt, nach dem Namen des taz-Journalisten durchsucht wurden. In einem Untersuchungsbericht wird umfassend aus den E-Mails, die der Journalist und der pensionierte Richter gewechselt haben, zitiert.
Hintergrund der Beschlagnahmeaktion war, dass Reicherter im Februar 2012 den Rahmenbefehl Nr. 2 des Innenministeriums von Baden-Württemberg, in dem die Bespitzelung und Überwachung von Gegnern des Bahnprojekts Stuttgart21 angeordnet wurde, öffentlich zitiert hatte. Die Beschlagnahme diente dem Zweck, den Informanten zu ermitteln, Reicherter selbst wurde keiner Straftat beschuldigt. Der Tatvorwurf gegen den Polizeibeamten, den man als undichte Stelle vermutet, dürfte sich auf § 353b StGB stützen. Danach ist die Verletzung des Dienstgeheimnisses strafbar, sofern durch die Offenbarung wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden. Wenn das Geheimnis allerdings illegal ist, kann es durchaus auch am Deliktsmerkmal “unbefugt” fehlen. Außerdem fragt man sich unweigerlich, durch wen hier eigentlich wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden. Die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme und vor allen Dingen der umfassenden Auswertung des gesamten E-Mail-Verkehrs Reicherters darf man in Zweifel ziehen.
Wenn ich von solchen Vorgängen lese, wird mir immer wieder ein Zusammenhang bewusst. Die ständige Ausweitung von präventiven und repressiven polizeilichen Befugnissen, u.a. im Bereich der TK-Überwachung, wäre leichter zu verschmerzen, wenn man sich als Bürger darauf verlassen könnte, dass bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten Menschen mit Augenmaß agieren, die die rechtsstaatlichen Vorgaben immer fest im Blick haben. Aber darauf kann man sich als Bürger leider nicht verlassen. Vielmehr sehen wir uns in zunehmendem Maße einem Apparat von Ermittlungsbehörden gegenüber, der oft genug Ermittlungen um jeden Preis anstellt und dem verfassungsrechtliche Einschränkungen nur noch als lästiger Ballast erscheinen, den es abzustreifen gilt.
Und an dieser Stelle fängt man als Jurist irgendwann auch an zu bedauern, dass es in Deutschland keine Fruit Of The Poisonous Tree Doctrine gibt. Denn der Verstoß gegen das Gesetz hat für Ermittlungsbehörden im Regelfall keinerlei Konsequenzen und die so gewonnenen Erkenntnisse können zumeist auch uneingeschränkt verwertet werden, sofern nicht ein spezifisches Beweisverwertungsverbot eingreift. Weil man das natürlich weiß, schert man sich oftmals um rechtsstaatliche Vorgaben nicht mehr, zumal man sich ja auf der guten Seite wähnt. Der Rechtsstaat wird dadurch auf Dauer von den Ermittlern stärker ausgehöhlt, als von denen, gegen die ermittelt wird.
Die mangelnde rechtsstaatliche Gesinnung bei Polizei, Staatsanwaltschaften und in Teilen der Richterschaft einerseits und die Schaffung immer neuer und weitreichender Eingriffsbefugnisse durch den Gesetzgeber andererseits, ergeben einen gefährlichen Cocktail.
Leider interessieren und engagieren sich in diesem Land immer noch zu wenig Menschen für Bürgerrechte. Vermutlich auch deshalb, weil sie glauben, dass dieser Staat in diesem Bereich kaum Defizite aufweist. Das allerdings ist ein Irrtum, der auch auf mangelnder Information beruht. Und die Informationsunterdrückung ist gerade auch in der Causa Reicherter von zentraler Bedeutung. Wenn sich diejenigen, die Informationen unterdrücken wollen, aber auch noch den Instrumenten des Strafrechts bedienen können um ihr Ziel zu erreichen, müssen die Bürgerrechte einen schweren Stand haben.
Vor einigen Wochen haben sechs Wissenschaftler auf ZEIT-Online einen Aufruf veröffentlicht, die geplante Datenschutzgrundverordnung nicht zu verwässern. Diesem Aufruf haben sich mittlerweile mehr als 60 Wissenschaftler aus ganz Europa angeschlossen.
An dem Aufruf stört mich ganz entscheidend, dass einer der wirklich kritischen Aspekte dieser Datenschutzgrundverordnung, nämlich der Umstand, dass Erlaubnistatbestände in weitem Maß durch die Kommission über sog. delegierte Rechtsakte geregelt werden sollen, zwar thematisiert wird, aber erst ganz zum Ende. Das deutet auf eine verfehlte Schwerpunktsetzung hin.
Grundsätzlich stimme ich mit den Verfassern aber darin überein, dass es vermutlich technische Lösungen sein werden, die die datenschutzrechtlichen Probleme der Nutzer lösen können. Ob wir in Zukunft tatsächlich ein höheres Datenschutzniveau haben werden, als es faktisch derzeit vorhanden ist, hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, technische Lösungen wie “Do Not Track” weltweit zu etablieren. Möglicherweise müsste der (europäische) Gesetzgeber gerade diesbezüglich verbindliche Vorgaben machen. Die geplante Datenschutzgrundverordnung wird in ihrer jetzigen Form vermutlich weniger zur Verbesserung des Datenschutzes beitragen, als viele glauben.
Wir müssen vielmehr aufpassen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und in dem Streben nach einem hohen Datenschutzniveau nicht andere demokratische und rechtsstaatliche Grundlagen über Bord werfen. Dass diese Gefahr gerade im Hinblick auf die Datenschutzgrundverordnung besteht, hatte ich hier bereits erläutert.
Laut einem Bericht von Heise vom 29. Chaos Communication Congress des CCC warnen Bürgerrechtler vor einem Scheitern der EU-Datenschutzreform.
Wenn ich so etwas lese, reibe ich mir verwundert die Augen. Aus bürgerrechtlicher Sicht würde ich ein Scheitern der EU-Datenschutzreform in ihrer jetzigen Form vielmehr ausdrücklich begrüßen. Denn die geplante Datenschutzgrundverordnung halte ich gerade aus netzpolitischer und bügerrechtlicher Sicht für untragbar. Warum ich das so sehe, kann man hier nachlesen.
Bei der anlasslosen Speicherung von TK-Verbindungs- und Standortdaten hat das BVerfG in der Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung eine Speicherdauer von 6 Monaten als gerade noch verfassungsgemäß betrachtet.
Die EU will jetzt eine Richtlinie verabschieden, die die Speicherung von Fluggastdaten für die Dauer von fünf Jahren vorsieht. Zu dem Thema hatte ich schon einmal gebloggt. Es handelt sich dabei letztlich ebenfalls um Verbindungs- und Standortdaten, die speziell bei Vielfliegern auch die Erstellung von Bewegungsprofilen ermöglichen. Die Airlines sollen Daten wie Name, Anschrift, Reiseziel, Sitzplatzreservierung und Zahlungsmittel an eine sog. PNR-Zentralstelle weiterleiten, die in jedem Mitgliedsstaat errichtet wird. Diese Zentralstelle soll diese Daten verarbeiten dürfen, wenn der Verdacht einer schweren Straftat besteht. In diesem Fall darf die PNR-Zentralstelle die Verarbeitung der Daten anhand im Voraus festgelegter Kriterien vornehmen. Das ist letztlich nichts anderes als eine Rasterfahndung.
Der Innenausschuss des EU-Parlaments wird nächste Woche über das Vorhaben abstimmen. Diese Abstimmung wird wohl bereits vorentscheidend sein für die Abstimmung im Plenum.
Mir stellt sich bei derartigen Vorhaben, die vor 10 Jahren noch jeder in den Bereich der Überwachungsfantasien verwiesen hätte, auch immer die Frage, was als nächstes kommt. Vielleicht, dass die Bahn die Passagierdaten von Reisenden ebenfalls erfassen und an eine staatliche Zentralstelle weiterleiten muss?
Veröffentlicht am 11.05.2012 von brightpathvideo
Public Banking Institute President, Ellen Brown, opens the first Public Banking In America Conference in Philadelphia on April 27, 2012, followed by keynote speaker, political economist, Gar Alperovitz.
Veröffentlicht am 04.10.2012 von ToddBoyle
Gar Alperovitz, Seattle Town Hall - Oct 3, 2012 immediately after the public screening of the presidential debate between Romney and Obama.
--------------------------------------
// oAnth: a speech which has the quality to become iconic!
- democratization of ownership
- coops
- financing sector
- crisis and creativity
TK-Überwachung: Auskunftspflicht über Bestandsdaten soll neu geregelt werden
Markenrecht: Kann das Zeichen @ als Marke eingetragen werden?
Urheberrecht/Filesharing: Gesetzesinitiativen zur Beschränkung der Störerhaftung
Datenschutz: Wie sinnvoll und wie demokratisch ist die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung?
Soziale Netze: Wie Facebook mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet
Anhand einer beispielhaften Darstellung werde ich nachfolgend versuchen, einige fundamentale Defizite der geplanten EU-Datenschutzverordnung darzustellen, die bislang in der öffentlichen Diskussion wenig Beachtung gefunden haben, wobei mein Fokus hierbei auf dem Internet liegt.
In Deutschland gibt es seit Jahren eine kontroverse Diskussion darüber, ob IP-Adressen stets als personenbezogene Daten im datenschutzrechtlichen Sinne zu betrachten sind oder nur dann, wenn die speichernde Stelle den Personenbezug herstellen kann. Diese Streitfrage, die ich bereits früher ausfürlich dargestellt habe, ist für die Internetkommunikation von entscheidender Bedeutung. Wenn man IP-Adressen per se als personenbezogen betrachtet, dann dürfen diese Daten nach dem geltenden Prinzip eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt grundsätzlich nämlich gar nicht gespeichert werden, es sei denn, eine gesetzliche Vorschrift erlaubt die Speicherung ausdrücklich.
Man muss sich also die Frage stellen, ob die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung diese Streitfrage rechtssicher auflöst. Ein Blick in den Text und die Erwägungsgründe zeigt, dass dies nicht der Fall ist, sondern die Rechtsunsicherheit vermutlich sogar noch verschärft wird.
Art. 4 Abs. 2 der DatenschutzgrundVO definiert als personenbezogene Daten “alle Informationen, die sich auf eine betroffene Person beziehen“. Das ist m.E. bereits deshalb schlecht, weil damit letztlich der Personenbezug über den Personenbezug definiert wird und es sich somit eher um eine Tautologie als um eine Legaldefinition handelt. Der Ansatz erscheint aber derart weit, dass man angesichts des Wortlauts wohl darauf schließen müsste, dass sich die Verordnung für den absoluten Personenbezug entschieden hat.
In Widerspruch hierzu steht dann allerdings Erwägungsgrund 24 der Verordnung, der lautet:
Bei der Inanspruchnahme von Online-Diensten werden dem Nutzer unter Umständen Online-Kennungen wie IP-Adressen oder Cookie-Kennungen, die sein Gerät oder Software-Anwendungen und -Tools oder Protokolle liefern, zugeordnet. Dies kann Spuren hinterlassen, die zusammen mit eindeutigen Kennungen und anderen beim Server eingehenden Informationen dazu benutzt werden können, um Profile der betroffenen Personen zu erstellen und sie zu identifizieren. Hieraus folgt, dass Kennnummern, Standortdaten, Online-Kennungen oder sonstige Elemente als solche nicht zwangsläufig und unter allen Umständen als personenbezogene Daten zu betrachten sind.
Danach sollen also IP-Adressen und auch Cookies nicht stets personenbezogene Daten darstellen. Darüber, unter welchen Voraussetzungen Personenbezug zu bejahen ist, schweigt sich die Verordnung insgesamt freilich aus. Neben der Fundamentalkritik an der geplanten Datenschutzgrundverodnung, sind es derartige handwerkliche und regelungstechnische Ungenauigkeiten, die diese Verordnung so gefährlich machen und die Befürchtung nähren, dass die Rechtsunsicherheit über Jahre hinweg sogar noch erhöht werden wird.
Man muss sich in diesem Zusammenhang auch vor Augen führen, dass sowohl das BDSG als auch die datenschutzrechtlichen Vorschriften des TMG komplett wegfallen müssen, wenn die Verordnung als unmittelbar geltendes Recht in Kraft tritt.
Da die Verordnung andererseits das Konzept des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt fortsetzt, bedeutet dies auch weiterhin, dass eine Datenverarbeitung zunächst verboten ist, soweit sie nicht von der Verordnung ausdrücklich erlaubt wird. Es stellt sich also die Frage, ob die Verordnung hinreichende Erlaubnistatbestände enthält. Denn das Problem besteht natürlich darin, dass gerade die Internetkommunikation einen fortwährender Prozess der Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt, zumal wenn man – was die deutschen Aufsichtsbehörden seit Jahren tun – den Begriff des Personenbezugs extensiv auslegt.
Folge des Wegfalls der TMG-Vorschriften ist es in jedem Fall, dass auch die Unterscheidung zwischen Bestands-, Nutzungs- und
Inhaltsdaten nicht mehr stattfindet, ebensowenig wie die Unterscheidung zwischen der Datenverarbeitung zu eigenen bzw. fremden Zwecken.
Da die Verordnung nicht in ausreichendem Maße Erlaubnistatbestände enthält – was auch der Kommission sehr wohl bewusst ist – kommt ein weiterer zentraler Aspekt hinzu. Die Kommission wird durch die Verordnung nämlich ermächtigt, sog. delegierte Rechtsakte zu erlassen, die insbesondere derartige Erlaubnistatbestände näher ausgestalten (Art. 5 Abs. 5, Art. 86). Das ist unter demokratischen Gesichtspunkten schlicht eine Katastrophe, denn damit wird eine wesentliche und grundrechtsintensive Gesetzgebungsbefugnis auf eine Institution verlagert, die über keinerlei demokratische Legitimation verfügt. Die Kommission hat sich damit quasi selbst für den Bereich des Datenschutzrechts eine weitreichende Rechtssetzungsbefugnis eingeräumt, die keine paralamentarische Basis hat. Die Datenschutzgrundverordnung verfestigt damit das auf EU-Ebene ohnehin bestehende erhebliche Demokratiedefizit.
Diese Datenschutzgrundverordnung ist somit gerade aus demokratischer und bügerrechtlicher Sicht untragbar. Dass sich speziell bei Bürgerrechtlern bislang wenig Widerstand regt, sondern vielmehr eher Zustimmung vorzuherrschen scheint, wird sich vermutlich noch als folgenschwere Fehleinschätzung erweisen.
Wolfgang Kubicki ist FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Schleswig-Holstein und im Nebenberuf Rechtsanwalt. Im Interview mit der Welt vertritt der die Ansicht, dass es niemanden etwas angehe, was er durch seine Anwaltstätigkeit verdient.
Auch wenn ich einige der Argumente Kubicki nachvollziehen kann – wenngleich man die Eigennützigkeit seiner Argumentation nicht unberücksichtigt lassen sollte – halte ich sie im Ergebnis nicht für durchgreifend.
Die Offenlegung der Nebentätigkeiten von Abgeordneten und der daraus erzielten Einkünfte ist aus zwei Gründen unabdingbar. Die Öffentlichkeit hat nämlich ein Recht darauf zu wissen, welchen Herren die gewählten Abgeordneten sonst noch dienen. Es muss erkennbar sein, welche Verflechtungen bestehen und welche wirtschaftlichen Interessen den Abgeordneten möglicherweise beinflussen. Außerdem sollte der Wähler sich ein Bild vom Umfang der Nebentätigkeit machen können, um zu sehen, ob die Nebentätigkeit nicht eher eine Haupttätigkeit ist und deshalb die ordnungsgemäße Ausübung des Mandats beeinträchtigt.
Die Abgeordneten müssen sich daran gewöhnen, dass es legitim und notwendig ist, von ihnen als Volksvertreter ein höheres Maß an Transparenz zu verlangen als von einem Normalbürger. Sie sind nunmal gewählte Volksvertreter mit ganz spezifischen Pflichten und einem hohen Maß an Verantwortung der gesamten Bevölkerung gegenüber. Dieser Umstand scheint bei einigen allerdings in Vergessenheit geraten zu sein.
Die Argumentation des Anwaltskollegen Kubicki weist auch einige interessante Brüche auf. Wenn er als Anwalt einen Vertreter einstellen muss, weil er seine Anwaltstätigkeit nicht mehr oder nur noch sehr reduziert ausüben kann, dann sollte er doch auch kein Problem damit haben, seine insoweit niedrigen Einkünfte offenzulegen. Speziell bei Anwälten, die in Parlamente gewählt werden, ist es allerdings nicht selten so, dass dadurch eine bislang vielleicht gar nicht so gut gehende Kanzlei erst richtig in Schwung kommt. Womit ich natürlich nichts über den Kollegen Kubicki gesagt haben möchte.
Unser Internet soll sauberer werden. Das meint zumindest das von der EU geförderte Clean-IT-Project. Erklärtes Ziel der Projektgruppe ist es, die terroristische Nutzung des Internets einzudämmen. Zu diesem Zweck führt man einen “Public-Private-Dialogue”, wie es auf der Website des Projekts offiziell heißt. Man kennt dieses Prinzip bereits, denn Provider, soziale Medien und Portalbetreiber sollen dieses Vorhaben unterstützen.
EDRi hat heute ein Diskussionspapier der Clean-IT-Gruppe geleakt, das offenbar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war. Inhaltlich ist es möglicherweise nicht ganz so spektakulär, wie man bei netzpolitik.org meint, zumindest wenn man das gelesen hat, was die Projektgruppe bereits selbst veröffentlicht hat.
Gleichwohl sind bürgerrechtliche Bedenken angebracht. Allein der aus einem Fact-Sheet der Projektgruppe stammende Satz
Results of this project can possibly be translated to other types of illegal use of the internet as well
sollte nachdenklich stimmen. Denn es geht wieder einmal darum, Informationsvermittler wie Provider oder soziale Medien dazu zu bewegen, im Rahmen des in Deutschland wohlbekannten Konzepts der freiwilligen Selbstverpflichtung, illegale Inhalte im Netz zu sperren, filtern und auszublenden. Im Rahmen der Debatte um das Zugangserschwerungsgesetz wurde nun wirklich rauf und runter erläutert, warum dieser Ansatz zwangsläufig zu Chilling Effects führt, die die Meinungs- und Informationsfreiheit gefährden. Als hätte es die Netzsperren-Debatte nie gegeben, versucht die Politik aber weiterhin das Internet zu kontrollieren und präsentiert hierfür die immergleichen Ansätze in wechselnden Gewändern.
Abgesehen von der inhaltlichen Fragwürdigkeit sehr vieler der diskutierten Maßnahmen, ist vor allem der nicht gesetzgeberische Ansatz – wie es sogar offiziell heißt – im Rahmen von Public-Private-Partnerships problematisch. Denn damit wird die Grundrechtsbindung des Staates umgangen und das in einem äußerst grundrechtsintensiven Bereich. Die Grundrechtseingriffe sollen von den Akteuren des Netzes “freiwillig” vorgenommen und damit quasi privatisiert werden.
Hier braut sich gerade wieder etwas zusammen, auf das die Bürgerrechtler ein Auge haben müssen. Und bevor wir wieder ausschließlich auf die EU schimpfen, sollte man erwähnen, dass das Bundesministerium des Inneren offizieller Projektpartner von Clean IT ist. Wie hätte es auch anders sein können.
Dass das Bundesverfassungsgericht auch die Neuregelung des Bundeswahlgesetzes mit Urteil vom heutigen Tag als verfassungswidrig ansieht, dürfte wohl schon jeder mitbekommen haben. Die Entscheidung betrifft das gerade erst gesetzlich neu geregelte Verfahren der Zuteilung der Abgeordnetensitze des Bundestages.
Das vom Bundestag neu gestaltete Verfahren verstößt nach der Entscheidung des BVerfG gegen die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien. Bereits das alte Verfahren ist in Karlsruhe kassiert worden, was bedeutet, dass der Bundestag die Vorgaben aus er damaligen Entscheidung des Gerichts nicht korrekt umgesetzt haben.
Anders als in vielen anderen Fällen, sieht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch keine Übergangsfristen vor. § 6 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2a des Bundeswahlgesetzes sind nach dem Urteil nichtig. Genau auf dieses verfassungsrechtliche Problem hatte ich in einem älteren Blogbeitrag aus dem letzten Jahr bereits hingewiesen.
Das Gericht betont auch, dass die alte Regelung nicht wieder auflebt. Das Fazit der Verfassungsrichter lautet:
In Folge dieser Feststellungen fehlt es an einer wirksamen Regelung des Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Die bis zum Inkrafttreten des Neunzehnten Änderungsgesetzes geltenden und durch diese ersetzten oder modifizierten Bestimmungen leben nicht wieder auf.
Das bedeutet mit anderen Worten, dass es in Deutschland derzeit kein gültiges und anwendbares Wahlrecht gibt. Sollte es also kurzfristig zu einer Regierungskrise kommen, wären Neuwahlen derzeit rechtlich überhaupt nicht möglich. Der Bundestag kann im Moment also nicht gewählt werden.
Man darf gespannt sein, ob speziell die Union das Bundesverfassungsgericht ein weiteres mal provozieren will oder ob es der Bundestag nunmehr endlich schafft, ein sauberes und verfassungskonformes Wahlgesetz zu verabschieden.
Der Kollege Udo Vetter bloggt ebenfalls zum Thema.
Das Bundesverfassungsgericht hat erneut die Rechte des Bundestages gestärkt, wie es in der Presse heißt.
Nach dem heute verkündeten Urteil des BVerfG (Az.: 2 BvE 4/11) hätte die Bundesregierung das Parlament so früh wie möglich über die Verhandlungen zum Europäischen Rettungsschirm (ESM) und zum Euro-Plus-Pakt informieren müssen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten im Rahmen eines Organstreits beanstandet, dass die Bundesregierung insoweit ihre Unterrichtungspflichten nach Art. 23 Abs. 2 GG gegenüber dem Deutschen Bundestag verletzt habe.
Das Verfassungsgericht beanstandet in seiner Entscheidung u.a., dass die Bundesregierung vorhandene Dokumente und Entwürfe nicht frühestmöglich an den Bundestag weitergeleitet hat. Denn das Parlament darf nicht in eine bloß nachvollziehende Rolle geraten, so das Gericht, sondern muss die Möglichkeit haben, frühzeitig und effektiv Einfluss auf die Willensbildung der Bundesregierung zu nehmen.
So erfreulich diese Entscheidung auch sein mag, sie macht einmal mehr deutlich, dass sich die parlamentarische Demokratie in Deutschland und Europa in einer substantiellen Krise befindet und sich die Parlamentarier nicht mehr von selbst aus dem Würgegriff ihrer Regierungen befreien können, sondern darauf angewiesen sind, dass sich Parlamentsminderheiten, wie hier einmal mehr die Grünen, gegen die Beschneidung der parlamentarischen Rechte vor dem Verfassungsgericht zur Wehr setzen.
Wenn sich die Funktion des Korrektivs allerdings auf die Judikative verlagert, bedeutet dies gleichzeitig, dass die Parlamente ihre Kontrollfunktion und ihre Aufgabe als Volksvertreter nicht mehr wahrnehmen.
Quelle: PM Nr. 42/2012 des BVerfG vom 19.06.2012
Der Chaos Computer Club sowie seine beiden Sprecher Constanze Kurz und Frank Rieger erhalten am 12.05.2012 den Werner-Holtfort-Preis für bürger- und menschenrechtliches Engagement.
In der Pressemitteilung der Holtfort-Stiftung heißt es zur Begründung:
Der CCC erhält den Preis für seine langjährige intensive Aufklärungsarbeit gegen die ausufernde staatliche und privatwirtschaftliche Überwachung der Bürgerinnen und Bürger und die Aufdeckung immer neuer unerlaubter Ausforschungsversuche staatlicher und privater Stellen, zuletzt die sog. Staatstrojaner, welche von der Polizei ohne ausreichende Rechtsgrundlage heimlich zur vollständigen Überwachung privater Computer genutzt werden.
Die beiden Preisträger betreiben durch allgemeinverständliche Vorträge und Veranstaltungen eine intensive Aufklärung und werden inzwischen als kritische Sachverständige von dem Bundesverfassungsgericht hinzugezogen.
Der Preis ist übrigens dotiert mit 5.000,– Euro, die in kleinen gebrauchten und nicht registrierten Scheinen ausbezahlt werden.;-)
Der vor 20 Jahren verstorbene Stifter Werner Holtfort war Rechtsanwalt, Mitglied des Bundesverstands der Humanistischen Union und Mitbegründer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins. Die Holtfort-Stiftung als Alleinerbin verleiht entsprechend der testamentarischen Vorgaben den Werner-Holtfort-Preis für herausragende Leistungen zur Verteidigung der Bürgerrechte.
"Tell the chef, the beer is on me."
"Basically the price of a night on the town!"
"I'd love to help kickstart continued development! And 0 EUR/month really does make fiscal sense too... maybe I'll even get a shirt?" (there will be limited edition shirts for two and other goodies for each supporter as soon as we sold the 200)